Mit ELLI den Bus erwischt

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Bedarf an Mobilitätsberatung ist groß
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“Ich finde das toll, dass hier jetzt was fährt”, freut sich Ingeborg Butzlaff morgens beim Einsteigen. Die Seniorin aus Evchensruh hat sogar eine Piccoloflasche Sekt mitgebracht, um der ELLI auf ihrer Jungfernfahrt eine Schiffstaufe zu verpassen. Doch heute bleibt der gebrauchte aber guterhaltene Seat Alhambra, den ein Bürgerbusverein im Elde-Quellgebiet erstmals auf vier Touren einsetzt, ohne Beule. Stattdessen darf der Fahrer Toralf Goldenstern aus dem Nachbardorf Grabow das Fläschchen zu Hause öffnen. Dafür bekommt Frau Butzlaff als erster Fahrgast einen kleinen Weihnachsstern im Töpfchen, der ihr für die Rückfahrt aufgehoben wird. Denn Inge Butzlaff will heute für verschiedene Erledigungen nach Röbel. Zwar verkehrt zwischen Röbel und Wittstock eine Linie der MVVG, aber von ihrem Häuschen in Evchensruh bis zur nächstgelegenen Haltestelle in Wredenhagen sind es immer noch acht Kilometer. Da die alte Dame selbst nicht mehr fahren mag und sie nicht immer jemand mitnehmen kann, ist die ELLI für sie genau das Richtige. Strahlend nimmt sie neben dem Fahrer platz und braust mit ihm davon.

Geht das denn überhaupt: Ohne Auto auf dem Land? – Ganz gleich ob Senioren das Fahren lieber sein lassen, ob junge Leute sich überhaupt einen eigenen Wagen leisten können oder ob Zuzügler und Touristen aus den Großstädten dort bisher gut auf Führerschein und Parkplatzsorgen verzichten konnten. Immer mehr Menschen brauchen den öffentlichen Nahverkehr, besonders in unseren ländlichen Räumen. Für die Landgemeinden wird die Mobilität ihrer Einwohner und Besucher zur Existenzfrage. Allerdings rechnet sich der öffentliche Nahverkehr bei rückläufigen Bevölkerungszahlen kaum mehr. Der verpflichtende Schülerverkehr ist aufwändig genug. Dadurch wird auch das übrige Angebot immer dünner oder geht ganz zurück. Wo aber die Attraktivität schwindet, da sinkt auch die Nutzung. Wer damit konfrontiert ist, motorisiert sich selbst, wenn er kann, oder sucht auf die Dauer das Weite.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, hat sich nun ein Dutzend Gemeinden – immerhin gut die Hälfte im Röbeler Amtsbereich – auf den Weg gemacht, um ihren Einwohnern und Gästen bessere Anbindungen zu ermöglichen. In einem bundesweit einmaligen Vorhaben und im Rahmen des Bundesforschungsprogramms Kopernikus sowie mit Unterstützung der Landesinitiative Forum Ländliche Entwicklung und Demografie M-V koordiniert das Wismarer Kompetenzzentrum Ländliche Mobilität (KOMOB) Vereinsgründung, Expertenberatung und Fördermöglichkeiten mit dem Bedarf und dem Engagement aus den Gemeinden. Mit den ersten Fahrten beginnt nun eine halbjährige Experimentierphase, in der das neue Mobilitätsangebot immer besser an den Bedarf und die Bedingungen angepasst werden soll. Die nächsten Fahrten am Dienstag und Donnerstag, 19. und 21, Dezember sind zur Einführung noch gratis. Dann ist erstmal Weihnachtspause, und im neuen Jahr startet Elli ab 2. und 4. Januar wieder regelmäßig dienstags und donnerstags, morgens und mittags zweimal nach Wredenhagen, jeweils Richtung Wittstock und Röbel und mittags zweimal zurück. Die genauen Fahrtzeiten sind den Aushängen in den beteiligten Gemeinden zu entnehmen oder können telefonisch erfragt werden unter.

Dabei ist die nun eröffnete Strecke Below–Grabow–Massow–Zepkow–Wredenhagen nur der Anfang. Weitere, sogenannte Erschließungsbereiche – etwa von Fincken, Leizen und Bülow nach Röbel sowie um Kieve, Melz und Buchholz herum – sollen im neuen Jahr folgen und auch ganz neue Gemeinden klopfen schon an. Neben der Anbindung an die MVVG-Linien sind zudem bereits ‘Wünsch-Dir-was-Tage’ im Gespräch, an denen ein Bereitschaftsdienst Fahrtwünsche im näheren Umkreis erfüllt, um die Wege zwischen den Dörfern zu verkürzen, was sich bislang aber weder für die MVVG noch für Taxiunternehmen lohnt und deshalb fehlt. Darüber hinaus sind bereits erste Sonderfahrten, wie etwa zur Weihnachtsfeier angefragt. Auch die Ergänzung durch ein Car-Sharing-System ist denkbar, in dem gemeinsame oder auch private Fahrzeuge von Vielen genutzt werden können. In den nächsten Projektphasen ist der Einsatz von E-Mobilen, eine digitale Plattform für Bestellungen, Fahrtenplanungen und Abrechnungen, die Unterhaltung des Betriebs durch die Bewirtschaftung erneuerbarer Energien sowie eine weitgehende Integration in den öffentlichen Personennahverkehr geplant. All das zusammen – sein Umfang und seine Vielfalt – machen das Projekt ELLI einmalig.

Mittags verlassen zwei Fahrgäste in Wredenhagen die Buslinie 23 aus Röbel. Da freut sich auch der Busfahrer. Ohne die beiden ELLI-Kunden wäre das für ihn und die MVVG vielleicht wieder eine Leerfahrt geworden: Es sind Inge Butzlaff und Frank Rachau, der schon auf dem Hinweg zugestiegen war. Beide haben ihre Gänge in der Stadt bequem erledigen können. Rachau aber gesteht: “Für mich kommt das Angebot leider etwas zu spät.” Denn im Januar zieht er um. Nicht zuletzt, weil er bisher immer die 2,5 Kilometer von Zepkow bis nach Wredenhagen laufen musste, um nach Röbel oder Wittstock zu kommen. Aber vielleicht nutzt er demnächst ja noch andere Angebote des Bürgerbusvereins. Frau Butzlaff jedenfalls will spätestens im neuen Jahr wieder mitfahren.