ELVIRA

Lösungsansatz: Ein ÖPNV-Zubringer zu den Schnellbushaltestellen mit vollautomatischen Fahrzeugen - individualisiert, kostengünstig, effektiv!

Ländliche Räume benötigen statt eines kollektiven Systems (wie bisher) ein individualisierbares System, ähnlich dem Carsharing, bei dem jederzeit auf ein persönliches Fahrzeug zugegriffen werden kann. Dieses Fahrzeug dient in einem intermodalen ÖPNV als Zubringer zu Schnellbussen oder dem Bahnhof. Carsharing eignet sich im ländlichen Raum jedoch nicht, da die Entfernung zwischen dem Stellplatz eines Carsharingautos und dem Nutzer in der Regel zu groß ist. Diese Entfernung muss überwunden werden. Hier bieten sich automatische Fahrzeuge an: Der Nutzer bestellt das Fahrzeug, welches hochautomatisch oder vollautomatisch zum Nutzer fährt und diesen weiter zur ÖPNV-Haltestelle befördert. Da das Fahrzeug ausschließlich autonom fährt, wird kein Führerschein benötigt: Dann können Kinder, Jugendliche und ältere Menschen genauso transportiert werden wie Führerscheinbesitzer.

Was kann Elvira zu diesem Lösungsansatz beitragen?

ELVIRA ist ein solches ÖPNV-Zubringersystem mit vollautomatischen Fahrzeugen, die individualisiert und passgenau diejenigen Personen befördern, die sonst Gefahr laufen, von der Mobilität abgeschnitten zu sein. Die Bestellung der Fahrt und ihre Abrechnung laufen über eine einfach zu bedienende App, die in bestehende ÖPNV-Plattformen integriert werden kann. Das Fahrzeug fährt in einem abgesicherten Modus. Es kann vom Fahrgast jederzeit dann selbst gesteuert werden, wenn eine Notfallsituation eintritt und der Fahrer eine entsprechende Fahrberechtigung besitzt. Alternativ kann er jederzeit zu einer Zentrale Kontakt aufnehmen, die die Steuerung übernehmen kann. Das Fahrzeug fährt auf ausgewählten und speziell präparierten Spuren auf separierten Trassen, den i-Lanes – das sind Privatstraßen oder Fahrspuren auf öffentlichen Straßen, die ausschließlich ELVIRA dienen. Die Sicherheit ist durch ein intelligentes Auto und intelligente Infrastruktur somit sehr hoch. Als Teststrecken bieten sich eine Verbindung zwischen Röbel und Bollewick (ländlicher Raum) und eine Verbindung in Osnabrück (städtisch-ländlicher Raum) an.

Was bringt das Forschungsprojekt?

Am Ende des Forschungszeitraums steht ein Konzept zur Nutzung vollautomatischer Fahrzeuge als ÖPNV-Zubringer, das auf beliebige Regionen in Deutschland übertragbar ist. Dieses Gesamtkonzept ist rechtlich und technisch auf der Höhe der Zeit und in einem oder zwei Anwendungsfällen evaluiert. Es beinhaltet Lösungen zur technischen Ausrüstung der Fahrzeuge und der Infrastruktur, zur Kommunikation zwischen Mensch und Fahrzeug sowie zwischen Mensch und Verkehrsanbieter, Haftungskonzepte, datenschutzrechtliche Lösungen, sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu den Bedürfnissen der Nutzer und ihrer Akzeptanz, Erkenntnisse zu den ethischen Grenzen bei der System- und Nutzerüberwachung und bei automatisch ablaufenden Entscheidungsprozessen sowie Erkenntnisse zu staatlichen und privaten Betreiber- und Finanzierungskonzepten inklusive Branchenstrukturanalyse für ausgewählte Regionen. Zudem werden anhand von ausgewählten Regionen Erkenntnisse gesammelt, welche Parameter Hinweise dafür bieten, wo im stadtnahen und ländlichen Raum die Umsetzung des Konzepts erfolgsversprechend ist.

Grundidee: Die zehn Leitthesen

  1. ELVIRA dient ausschließlich als Zubringer zum ÖPNV-Netz

  2. i-Lanes werden somit nur zwischen Ortschaften und Haltestellen errichtet

  3. Es wird ausschließlich auf diesen i-Lanes gefahren und es wird ausschließlich vollautomatisch gefahren – es ist im Normalbetrieb keine Lenkung durch den Fahrzeugführer vorgesehen

  4. Die Fahrzeuge sind kleine Leicht-KFZ, um ein kostengünstiges und damit schnell implementierbares System zu entwickeln

  5. Die Fahrzeuge fahren langsam, um Vertrauen zum System zu erzeugen und um dem Stand der Technik sowie den Sicherheitsansprüchen gerecht zu werden

  6. Die Sensorik wird aufgeteilt auf Infrastruktursensorik und Fahrzeugsensorik, um die Sicherheit zu erhöhen: Die Sensorik kann Gefahren weit vor dem Auto erkennen.

  7. Eine Leitzentrale überwacht das System und kann in besonderen Situationen in den Betrieb eingreifen

  8. Bei Störungen bleibt das Fahrzeug stehen und die Leitzentrale entsendet einen Mitarbeiter zum Fahrzeug

  9. Es gibt Wetter- und andere Bedingungen, bei denen nicht gefahren wird

  10. Die hohe technische Sicherheit, verbunden mit lokalen Betreibermodellen, organisatorischer Anbindung an den etablierten ÖNPV, ethisch korrektem Betrieb und sozialwissenschaftlich gestützten Angeboten an die Nutzer sorgen für eine breite Akzeptanz und Nutzung des Systems

Technische Herausforderungen

Sensoren funktionieren noch nicht unter allen Umgebungsvariablen, sodass intelligente und akzeptable Kompromisse hinsichtlich der Usability gemacht werden müssen (DLR, Siemens). Es muss zudem geklärt werden, welche Fahrzeuge konkret eingesetzt werden sollen: Möglich ist die Nutzung des Aixam-Fahrzeugs, wie im ersten Antrag geplant. Anderseits können auch das Fahrzeug aus dem Projekt „City Mobil 2“ (EZ 10) (s.u.) oder ähnliche fertige Fahrzeuge eingesetzt werden (DLR, Voith, Götting). Forschungs- und Klärungsbedarf besteht bei den verschiedenen Kommunikationsaspekten im Projekt: Kommunikation zwischen Fahrzeug, i-Lane und Zentrale (DLR, Siemens), Car2Car-Kommunikation (Götting), System-Nutzer Kommunikation (InnoZ). Die Sicherheit des Systems hat höchste Priorität und wird von den Nutzern erwartet – Robotik kann aber nicht zu 100% sicher sein, sodass Notfallmechanismen entwickelt werden müssen.

Rechtliche Herausforderungen

Derzeit ist es durch das Wiener Übereinkommen noch nicht erlaubt, Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen fahrerlos fahren zu lassen. Allerdings werden im Projekt „City Mobil 2“ in La Rochelle bereits Fahrten im öffentlichen Stadtumfeld getestet und evaluiert – Forschungsprojekte im Bereich autonomen Fahrens sind also möglich. Herausforderungen bestehen demnach darin, rechtliche Hürden für den Betrieb und darauf aufbauend rechtlichen Anpassungsbedarf zu identifizieren. Das betrifft folgende Bereiche:

• Straßenverkehrsrecht, Straßenrecht und ÖPNV-Recht (Planung und Genehmigung)

• Haftungsrecht, Datenschutzrecht

Ökonomische Herausforderungen

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht müssen die Bedingungen ermittelt werden, die einen rentablen und damit nachhaltigen Betrieb gewährleisten. Dazu muss dem System ein tragfähiges Geschäftsmodell zugrunde liegen. Grundlegend dafür ist die Frage nach dem Betreibermodell des zu entwickelnden Systems. Denkbar ist, die Betreibermodelle entlang der bestehenden Aufgabenträgerschaft und den Aufgaben der Verkehrsunternehmen vor Ort auszurichten – und/oder ganz neue Akteure einzubinden. Wichtig sind hierbei die gesellschaftsrechtlichen Fragen (Rechtsform GmbH, KG, Verein, etc.) und Fragen der Zulässigkeit wirtschaftlichen Handelns durch Kommunen. Die ökonomische Herausforderung besteht darin, verschiedene Betreibermodelle zu beschreiben und die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Betreibermodelle anhand wirtschaftlicher Kriterien zu überprüfen und zu bewerten (Theorie: IKEM; Praxis: KOMOB, MVG und Stadtwerke Osnabrück).

Weiterhin müssen mögliche Finanzierungsmodelle identifiziert und entwickelt werden. Die möglichen Finanzierungsmodelle bewegen sich zwischen einer öffentlich-rechtlichen Finanzierung - etwa über die ÖPNV-Finanzierung (Regionalisierungsmittel) - und einer rein privatrechtlichen Finanzierung mit Vergünstigungen – etwa durch europäische Förderung oder Steuererleichterungen (Theorie: IKEM; Praxis: Stadtwerke Osnabrück und MVG)

Sozialwissenschaftliche und ethische Herausforderungen

In sozialwissenschaftlicher Sicht bestehen zunächst Herausforderungen in der Akzeptanz des Systems: Derzeit kann sich ein Großteil der Bevölkerung nicht vorstellen, von einem Computer gefahren zu werden. Um die Akzeptanz im Testgebiet bzw. in den Testgebieten zu erhöhen, muss das Projekt von Anfang an Formen der Bürgerbeteiligung umfassen. So werden nicht nur der Bedarf und die Anforderungen an die Leistungen, die Fahrzeuge und das System als solches erfasst, sondern auch Vertrauen in das System hergestellt. Übergreifend muss im Projekt eine Kommunikationsstrategie entworfen werden, um die Übertragbarkeit des Projektes auf andere Regionen zu ermöglichen. Die Zusammenfassung der Erkenntnisse in Handlungsempfehlungen steht hier im Mittelpunkt.

Weiterhin müssen ethische Fragen im Sinne einer Technikfolgenabschätzung in den Fokus gerückt werden, denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Einführung eines autonom handelnden Systems rechts- und sozioethische Grenzen verschiebt. Auch wenn ein Ziel des Projektes darin besteht, technische Unsicherheiten zu vermeiden, bleiben Restrisiken nicht aus. Diese werden durch eine ethische Begleitforschung adressiert, die sich somit beispielsweise den Fragen widmet, nach welchen Kriterien Computer entscheiden sollen, in Risikosituationen zu reagieren. Auch die indirekt eingeführten Möglichkeiten, Nutzer und ihr Verhalten in den Fahrzeugen zu überwachen, müssen berücksichtigt werden und aus ethischer Perspektive eingeordnet werden.

Praktische Herausforderung der Implementierung und Evaluierung

Eng verbunden mit den oben genannten Herausforderungen ist die praktische Implementierung und Evaluierung des Systems. Mit einem Testgebiet im ländlichen Raum (Röbel-Bollewick) und einem weiteren Testgebiet in einem Übergangsraum (Osnabrück) wird sichergestellt, dass eine Lösung entwickelt wird, die sich nicht auf einen Raumtyp beschränkt, sondern schon im Projekt eine möglichst breite Untersuchung der Implementierung untersucht. Zu diesen praktischen Herausforderungen zählt es auch, früh Akzeptanz in den Bevölkerungen herzustellen.