ELLI – Dorfbus im ländlichen Raum

In den entlegenen Dörfern des mecklenburgischen Elde-Quellgebiets sind die Bürger auch ohne Auto wieder mobil. Die “Elde-Linien” (ELLI) verbinden sie mit dem öffentlichen Nahverkehr, denn ELLI kombiniert das bekannte Bürgerbussystem mit traditionelle ÖPNV-Strukturen. In der Region wird von dem Verkehrsunternehmer MVVG ein Linienverkehr mit geringer Taktung auf den Hauptstrecken (Magistralen) von Zentrum zu Zentrum angeboten – abseits davon existiert nur noch der Schülerverkehr. Hier greift nun ELLI ein. ELLI fährt die Fahrgäste passgenau aus den Dörfern zu den Haltestellen der Magistralbusse. Von dort kommen sie mit dem regulären ÖPNV-Angebot weiter. Die Fahrgäste sind somit intermodal unterwegs, da sie beide Systeme für ihren Weg nutzen. Aber auch der interdörfliche Verkehr wird mit ELLI angeboten, das heißt die Bewohner können auch ihre Verwandten und Bekannten in den Nachbardörfern besuchen. Dabei wird der Personenverkehr innerhalb der Fläche je nach lokalem Bedarf als on-demand Verkehr oder als Linienverkehr mit Haltestellen angeboten.

Glückliche Dorfbewohnerin, die Dank ELLI wieder mobil ist

Getragen wird ELLI von einem Bürgerbusverein, in dem Bürgermeister, Bürger und Bürgerinnen sowie der Landkreis und die MVVG vertreten sind. Der Verein operiert nicht gewinnorientiert[1], weil die Personenbeförderung nur so ohne die Auflagen des Personenbeförderungsgesetzes durchgeführt werden kann. Konzipiert und begleitet wird ELLI zunächst vom Kompetenzzentrum ländliche Mobilität, das aus Fördermitteln auch die initiale Finanzierungsphase bestreitet.

Der Bürgerbusverein arbeitet mit Kleinstfahrzeugen, derzeit mit gebrauchten PKW und Kleinbussen, aber auch schon mit einem Elektrovan, der aus einem der Förderprojekte angeschafft werden konnte. Die Fahrer stellen sich im Ehrenamt zur Verfügung und wohnen in den Dörfern, um auf Anruf wirklich spontan bedienen zu können. Sie werden entweder über die Ehrenamtspauschale belohnt oder im Minijob angestellt[2].

Dieses Konstrukt stellt sicher, dass attraktive, schnell auf Anfragen reagierende Beförderung angeboten werden kann, die vor allem auch nachfrageorientiert ist. Dies wird durch eine örtliche Mobilitätsarbeitsgruppe gewährleistet, die kontinuierlich das Fahrtenangebot weiterentwickelt und anpasst.

Umstieg von ELLI in den regulären Bus auf der Hauptstrecke

Und dann, wenn die MVVG erfolgreich fahren kann, wird die letzte Phase eingeleitet: die vollständige Integration der ehrenamtlich gefahrenen Flächenbusse in den ÖPNV. Mit der MVVG und dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist abgesprochen, dass eine „Flächengenehmigung[3]“ erwirkt wird. Diese konzessioniert den Betrieb des Nahverkehrs in der Fläche an den Bürgerbusverein. Dafür erstattet sie dem Verein die für ihn durch den Betrieb entstandenen Kosten – mehr nicht, damit das System nicht gewinnorientiert außerhalb des PBefG bleibt und dennoch ÖPNV ist.

Koordiniert und entwickelt hat das Netzwerk das Wismarer Kompetenzzentrum ländliche Mobilität (KOMOB) mit Unterstützung von Bundes- und Landesfördermitteln. ELLI wird derzeit von einem Dutzend Gemeinden im Amt Röbel betrieben. Das hat Interesse geweckt und weitere Gemeinden im Landkreis wünschen sich einen Flächenbus. Dieser wird in allen Regionen anders aussehen, weil jede Region unterschiedliche Ausgangsvariablen hat. Aber gemein ist ihnen allen das Grundprinzip:

Nahverkehr in der Fläche muss

konsequent intermodal sein

von der Dorfgemeinschaft konzipiert werden

aus dem Dorf betrieben und verantwortet werden

Wenn dieser Paradigmenwechsel vollzogen ist, heißt es vielleicht bald nicht mehr: Das Rufbusangebot ist die Rettung des ÖPNV im ländlichen Raum, sondern der dörfliche Flächenbus ist es.

[1] PersBefG § 1 Sachlicher Geltungsbereich, (1) „Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen […]“

[2] Gem. § 3 Nr. 26a EStG gibt es einen Steuerfreibetrag von 720 Euro im Jahr, wenn es sich um Einnahmen aus einer gemeinnützigen Tätigkeit handelt (Ehrenamtspauschale). Diese Einkünfte können i.d.R. auch bei ALG 1, bei Hartz 4 und bei der Rente berücksichtigungsfrei sein.

[3] Zwar kennt das PBefG keine Flächengenehmigung, dennoch handeln die Genehmigungsbehörden hier meistens im Sinne der Einführung Alternativer Bedienungsformen. Im Rahmen der anstehenden Novellierung des PBefG wäre hierzu eine Klarstellung des Gesetzgebers wünschenswert.

Ansprechpartner

Prof. Udo Onnen-Weber

0171 4865011